Parvati und Kama
Es gibt viele Legenden über das Liebespaar Shiva/Parvati, aber auch Parvati hatte, ebenso wie Sati, größte Schwierigkeiten ihren Mann Shiva, der ja der Herr der Asketen ist, zu verführen (1).
Eines Tages zum Beispiel schlich sie sich an, als er auf einem Berggipfel mit Blick zum Himalaja in tiefer Meditation versunken war. Um ihn zu necken, hielt sie ihm von hinten die Augen zu. Da öffnete sich auf seiner Stirn das dritte Zornauge, und mit einem einzigen Blick verbrannte er den ganzen Himalaja zu Asche. Parvati war sehr traurig, und auf ihre Bitten hin, erschuf er das Gebirge(ihren Vater) neu, weswegen es, wie die Shivaiten glauben, heute so wunderschön ist.
Ein anderes Mal war Parvati unglücklich, weil sich ihr Mann zu sehr der Askese und zu wenig seinen ehelichen Pflichten widmete. Um dem Abhilfe zu schaffen wandte sie sich an Kama(Eros, Amor) und bat ihn, ihr Problem zu lösen. Der jedoch wollte nichts mit Shiva zu tun haben, da er zuviel Respekt vor dessen Enthaltsamkeit und Macht hatte. Doch Parvati ließ sich nicht abweisen. Sie erklärte ihm, daß es seine Pflicht als Liebesgott wäre, ihr Eheproblem zu lösen. Schließlich konnte sich Kama nicht länger weigern, entschloß sich aber, die Sache so vorsichtig wie möglich anzugehen. Er schlich sich also heimlich von hinten an Shiva an, der, wie so häufig, in tiefer Meditation versunken war.
Dann nahm er seinen Bogen und schoß ihm seinen Blütenpfeil durch den Rücken mitten ins Herz. Bei jedem anderen hätte das Gift Kamas sofort gewirkt, doch Shiva hatte durch seine Askese ein so gewaltige Kraft gewonnen, daß er sich noch umdrehen konnte, Kama erblickte und ihn mit einem einzigen Blick zu Asche verbrannte. Nun war die Wirkung des Pfeils dahin und die Liebe in der Welt gestorben. Nicht nur, daß nichts zwischen Shiva und Parvati lief, auch bei den übrigen Göttern, bei den Menschen und bei allen Tieren war tote Hose. Das ging natürlich auf die Dauer nicht und die Götter sandten deshalb eine Abordnung an Shiva, mit der Bitte, Kama doch wieder lebendig zu machen, da ja alle außer Shiva ihn dringend bräuchten. Nach kurzem Zögern erklärte er sich dazu bereit und machte Kama wieder lebendig. Nun begann das Gift im Mahadev zu wirken und da er auch der Herr des Phallus ist, schnappte er sich Parvati, und die beiden holten nach, was sie in den vergangenen Jahrhunderten versäumt hatten. Sie lagen in einer Höhle und trieben es so arg, daß gewaltige Erdbeben(Poseidon) die Welt erschütterten und der Himmel einzustürzen drohte. Und das Schlimmste war, sie fanden kein Ende und erklommen ständig neue Höhen der Ekstase. Die Götter waren verzweifelt. Um den drohenden Weltuntergang abzuwenden, begaben sie sich zu Kama. Da er die Schuld am Verhalten Shivas trüge, sollte er Abhilfe schaffen und Shiva von weiterem Sex abhalten um die Welt zu retten. Kama weigerte sich zunächst kategorisch, da er schon einmal von Shiva verbrannt worden war und kein Interesse an einer zweiten derartigen Erfahrung hatte. Schließlich mußte er aber den immer heftiger vorgetragenen Forderungen der Götter nachgeben. Er verwandelte sich deshalb in sein Symboltier, den Liebespapagei(berüchtigt für seine wirklich entsetzliche und nervige Stimme), und flog zur Höhle Shivas und Parvatis. Dort versteckte er sich hinter einem Felspfeiler und ließ seinen schrecklich krächzenden Gesang erschallen, so lange bis Shiva und Parvati, trotz aller Versunkenheit, aus dem Konzept kamen und mit dem Sex aufhörten.
So hatte Kama die Welt gerettet.
Shiva und Parvati waren von nun an das perfekte liebende Paar und wo immer sie konnten, sonderten sie sich von den übrigen Göttern ab, um für sich zu sein.
Einmal waren sie zum Beispiel in Nepal unterwegs. Da entdeckten sie unweit des heiligen Flusses Bagmati ein wunderschönes Wäldchen, dessen Lichtungen angefüllt mit duftenden Blumen waren. Es gefiel ihnen so gut, daß sie sich entschieden, eine Weile hier zu bleiben. Um von den anderen Göttern nicht gleich entdeckt und gestört zu werden, verwandelten sie sich in Antilopen und vergnügten sich gemeinsam für lange Zeit an diesem verzauberten Ort.
Aber die Götter vermißten die beiden und als der Himmel von einem mächtigen Dämon bedroht wurde, machten sie sich auf die Suche, da sie dringend Shivas Hilfe benötigten. Schließlich fanden sie die Beiden und erkannten Shiva, denn er war eine ausgesprochen schöne Antilope, hatte statt zwei Hörner nur eines, aber aus Gold und mitten auf der Stirn. Dafür hatte er drei Augen. Die Götter baten ihn, sofort mitzukommen, aber er weigerte sich und versuchte davonzulaufen. Da packten sie ihn an seinem Horn und zogen so heftig daran, daß es abbrach. Es fiel in den Fluß, wurde abgetrieben, und ein Stück flußabwärts wieder angeschwemmt, wo es die Menschen fanden. Die Stelle, an der es angeschwemmt wurde, war schon früher berühmt, denn nach einer Tradition war hier das Geschlechtsteil Satis zur Erde gefallen. Die Menschen fügten die Yoni Satis und das Horn Shivas zusammen, verehrten es von nun an als Shivalingam und errichteten für es den heilgsten Tempel Nepals, Pashuputinath, dem Herrn der Seelen, geweiht.
Doch obwohl die beiden sich liebten und Parvati alles tat, um ihren Shiva glücklich zu machen(2), kam es immer wieder zu Ehekrisen, in deren Verlauf Shiva mehr als einmal von Parvati verlassen wurde. Der Grund waren meistens Nichtigkeiten, wie ein verlorerener Ohrring oder eine Neckerei über Parvatis braune Haut.
Einmal zankten sie sich beim Würfelspiel so sehr, daß Shiva in den Wald ging um sich zu beruhigen. Die eifersüchtige Parvati verwandelte sich darauf in ein wunderhübsches Bhilmädchen und schlich ihm hinterher um ihn zu beobachten. Als Shiva sie bemerkte war es um ihn geschehen. Er verliebte sich Hals über Kopf in die Schöne und machte ihr einen Heiratsantrag. Als diese daraufhin meinte, er als großer Shiva wäre doch schon mit zwei Frauen verheiratet, was bräuchte er eine dritte, erklärte er ihr, Ganga würde ihr Dienstmädchen und Parvati würde er zu ihren Eltern zurückschicken. Aber er wäre zerlumpt und hätte nur eine Hütte, meinte sie. Er würde sich rasieren, waschen und ihr einen Palast bauen, erklärte er. Schließlich wollte sie, daß er ihr etwas vortanze und während er mitten in seinem ekstatischen Tanz war, erkannte er plötzlich, daß Parvati vor ihm stand.
Ihren schlimmsten Krach hatten sie allerdings als Shiva Parvati einmal sehr lange die heiligen Schriften vorgelesen und erklärt hatte. Plötzlich merkte er, daß sie ihm nicht zuhörte. Er wurde wütend und um sie zu beleidigen, sagte er, sie wäre so dumm wie eine Fischerin und könnte deshalb die Veden nicht verstehen. Darauf wurde sie so sauer, daß sie verschwand, sich als Baby inkarnierte und von primitiven Fischersfrauen finden ließ. Diese brachten sie zu ihrem Häuptling, der sie aufzog. Inzwischen machte sich Shiva Sorgen um Parvati. Er hatte gehört, sie wäre ein Fischermädchen, das schönste des Stammes und solle bald mit einem Fischer verheiratet werden. Das mußte er unbedingt verhindern. Aber Shiva war zum Glück nicht allein. Er hatte die Unterstützung seines getreuen Nandi. Der verwandelte sich in einen großen Fisch, warf die Boote der Fischer um und zerriss ihre Netze. Da der Fisch großen Schaden anrichtete und von niemandem gefangen werden konnte, bot der Fischerhäuptling, dem, der das Monster unschädlich machen könne, als Lohn Parvati als Ehefrau. Doch noch immer war niemand dazu in der Lage. In ihrer Verzweiflung begannen die Fischer nun Shiva um Hilfe zu bitten indem sie den Lingam verehrten. Shiva erschien darauf in der Gestalt eines jungen fremden Fischers, fing Nandi ein und bekam als Lohn Parvatis Hand. Während der Hochzeit manifestierten sich beide in ihrer göttlichen Form und segneten die Fischer.
Trotz ihrer kleineren Ehekrisen wünschte Parvati sich sehnlichst Kinder. Eines Tages jedoch kam eine Delegation von Göttern zu ihr, mit der Bitte, aus Rücksicht auf den Dämonen Taraka(3) auf Kinder zu verzichten. Als sie dieses Anliegen hörte, geriet sie außer sich und schrie: "Wenn ich keine Kinder mit Shiva bekommen darf, dann sollen auch die anderen Devas mit ihren Männern keine Kinder bekommen!"
Dieser Fluch wirkt bis heute.
- Erst nachdem sie selbst Asketin geworden war, wurde sie nach weiteren Prüfungen (er nähert sich ihr in anderer Gestalt und verspottet Shiva, bis sie ihn in Schutz nimmt) von Shiva erhört.
- So mischte sie z.B. gekochte Hanfblätter in das Abendessen Shivas. Dadurch wurde er zwar etwas verlottert und vergesslich, fühlte sich aber desto wohler (was natürlich gut für die Ehe war).
- Siehe "Karttikeya"