Schildkrötenavatar

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Am Ende einer langen Brahmanacht, zum Beginn einer neuen Schöpfung, schwebten die Götter (Devas) und Dämonen (Asuras) (1) über den Wassern des Milchmeers. Die Götter hatten während des langen Schlafs Brahmas ihre Unsterblichkeit verloren. Auch waren viele Schätze und die Glücksgöttin Lakshmi verschwunden. Die Dämonen indessen hatten in dieser Zeit immer mehr an Kraft gewonnen, so daß sie nun von den Göttern gefürchtet wurden.

Das einzige Stück Land, welches damals aus der Milch aufragte, war die Spitze des Weltberges Meru (Mandara, Kailash).Die Devas wollten ihre Schätze und die Unsterblichkeit zurückgewinnen. Sie glaubten, man könne durch das Quirlen des Milchmeers den Unsterblichkeitstrank Amrita herstellen, wie man durch das Quirlen normaler Milch Butter gewinnt. Deshalb überredeten sie die Dämonen ihnen zu helfen. Dann nahmen sie die Weltenschlange Vasuki und banden sie als Tau um den heiligen Berg. Die Götter zogen am Kopf, die Dämonen am Schwanzende, doch der Berg bewegte sich nicht. Da verwandelte sich Vishnu in eine Schidkröte (Kurma), tauchte in die Tiefe und hob den Weltenberg auf seinen Rücken, während er sich gleichzeitig in all seiner Herrlichkeit als Sonnengott auf der Spitze des Berges manifestierte. Nun ließ sich der Berg in Drehung versetzen und aus dem Schaum des Meeres entstanden verschiedene Schätze: Indras Elefant(Airavata),der himmlische Wunschbaum(Parijata),die Kuh de Fülle(Surabhi, Nandis Mutter),der unbesiegbare Bogen Shivas (Sharanga), das Wunschjuwel (Kaustuba), die Meeresschnecke (Symbol der Schöpfung) und Lakshmi(2). Die Devas nahmen alle Schätze an sich, allein Vishnu die letzten drei, wobei er Lakshmi zu seiner Frau machte. Schließlich erschien das langersehnte Amrita und sowohl Devas als auch Asuras wollten zuerst davon trinken. Die Asuras, weil sie bis dahin noch nichts abbekommen hatten, die Devas, weil sie den Asuras nicht trauten und der Meinung waren, sie verdienten immer den Vortritt. Der Streit wurde schließlich durch einen weisen Dämonenkönig geschlichtet, der erklärte, die Götter könnten das Amrita zuerst bekommen, wenn sie versprächen die Hälfte für die Asuras übrig zu lassen. Die Götter versprachen dies und ließen den Unsterblichkeitstrank herumgehen, doch als er bei den Dämonen ankam, war kein Tropfen mehr in dem Gefäß. Die Asuras wurden daraufhin sehr wütend und forderten ihr Recht, wurden aber von den Göttern nur verlacht. Endlich ergriff Vishnu (der ja schon sehr viele Schätze für sich behalten hatte) die Initiative und sagte, daß wo so viele Schätze waren noch mehr sein müßten. Sie sollten alle zusammen weiterquirlen und alle weiteren Schätze wären dann für die Asuras. Notgedrungen erklärten die sich einverstanden und machten sich erneut ans Werk, doch nun kamen keine weiteren Schätze hervor. Ein fürchterliches Gift aus allem Übel, allen Sünden und allem Leid der Welt enstand. Es war so schlimm, daß es alles vernichtete, was mit ihm in Kontakt kam. Darauf stürzte sich Shiva(3) nach vorne, um die Welt zu retten. Er nahm eine Meeresschnecke, füllte das Gift hinein und trank es in einem Zug leer. Seine Kehle verfärbte sich dadurch blau, weswegen er als Shiva Nilakantha verehrt wird. Seine Anhänger glauben seitdem, er mache gegen Gift resistent(4) und rauchen zu seinen Ehren Haschisch um zu zeigen, daß ihnen dieses Gift durch Gottes Gnade nicht schadet.

In einer anderen Version dieses Mythos, wird der Streit zwischen Göttern und Dämonen durch die schöne Tänzerin Mohini geschlichtet. Sie ist der einzige weibliche Avatar Vishnus, und als "femme fatal" des indischen Götterhimmels, schmelzen bei ihrem Anblick die Dämonen dahin und lassen es zu, daß sie das Amrita verteilt, wobei sie so geschickt vorgeht, daß die Götter den Unsterblichkeitstrank bekommen, die Dämonen jedoch ein Getränk, was sie schwächt, wodurch sie dann von den Göttern besiegt werden können. Auch Shiva war von Mohini derart beeindruckt, daß er mit ihr (ihm) einen Sohn (Ayyappan) (5) zeugte.


  1. Asuras, ursprünglich ein zweites Göttergeschlecht von transzendenten Gestirnsgottheiten, die ebenso wie die Devas vom Weisen Kashyapa abstammen aber allmählich dämonisiert wurden, da man sie mit Ritualen nicht beeinflussen konnte. Siehe "Asuras".
  2. Lakshmi, die Göttin des Glücks und des Reichtums hat bei dieser Wiedergeburt eine Paralle zur schaumgeborenen Aphrodite der Griechen.
  3. Shivas Vorgänger Rudra war bei den Ariern unter anderem für die Beseitigung von Abfällen zuständig. Wenn einem anderen Gott geopfert wurde, bekam Rudra immer seine Reste.
  4. Parallele zum Schluß des Markusevangeliums. Auch hier glaubt man, daß Gott eine Resistenz gegen Gift gibt.
  5. Siehe "Mohini" .Der Anblick Mohinis erregte Shiva dermaßen, daß es kleine silberne und goldene Lingams regnete.

 

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